Einwanderung bis zum Zweiten Weltkrieg

Durch die zunehmenden Repressionen gegen Juden in Deutschland in den Jahren vor Beginn des Zweiten Weltkriegs begann eine erhebliche Flüchtlingsbewegung jüdischer Menschen in die Niederlande. Schätzungen gehen von 35.000 bis 50.000 Personen aus, die in dieser Zeit in die Niederlande immigrierten, von denen die überwiegende Mehrheit aus Deutschland stammte. Damit handelte es sich bei den Niederlanden um eines der sechs bedeutendsten Zufluchtsländer vor Beginn des Zweiten Weltkriegs. Für viele Flüchtlinge waren die Niederlande allerdings nur eine Durchgangsstation, sie verließen das Land bereits vor Beginn des Krieges wieder über die niederländischen Häfen.

Diese Flüchtlinge waren jedoch nicht uneingeschränkt willkommen: Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 wuchs die Zahl der aus dem Deutschen Reich Flüchtenden stark an. Aus Angst vor Überfremdung und um eine Verärgerung des nationalsozialistischen Nachbarstaates zu vermeiden, beschloss das Kabinett daraufhin, Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen. Bis zum November 1938 erhielten nur noch 800 Juden aus humanitären Gründen eine Einreisegenehmigung. Nach den Novemberpogromen und der damit einhergehenden Fluchtwelle ließ die niederländische Regierung unter Ministerpräsident Hendrikus Colijn am 15. Dezember erneut die Grenze zu Deutschland für jüdische Flüchtlinge schließen, die er als „unerwünschte Fremdlinge“ (niederl. ongewenste vreemdelingen) bezeichnete. Colijn stand der Aufnahme weiterer Flüchtlinge nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen ablehnend gegenüber, sondern auch, um den auch in den Niederlanden verbreiteten Antisemitismus nicht weiter zu befeuern.

    “Dat zeg ik in het belang van onze Nederlandsche Joden zelf. In dezen tijd is geen enkel volk volkomen vrij van antisemitisme, de sporen ervan worden ook in ons land gevonden en wanneer men nu ongelimiteerd een stroom vluchtelingen uit het buitenland hier zou binnen laten, zou het noodzakelijk gevolg ervan zijn dat de stemming in ons eigen volk ten opzichte van de Joden een ongunstige kentering zou kunnen ondergaan.”

    „Das sage ich im Interesse unserer niederländischen Juden selbst. In diesen Zeiten ist kein ganzes Volk vollkommen frei von Antisemitismus, die Spuren davon finden sich auch in unserem Land und wenn man nun einen unbegrenzten Strom von Flüchtlingen aus dem Ausland hereinlassen würde, wäre die unvermeidbare Folge hiervon, dass die Stimmung in unserem eigenen Volk den Juden gegenüber eine ungünstige Wendung nehmen würde.“

Als Folge der jüdischen Flüchtlingswelle von 1938 kam es auf Initiative des US-amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt zur Konferenz von Évian, an der neben 31 weiteren westlichen Staaten und 24 Hilfsorganisationen auch die Niederlande teilnahmen. Auf dieser Konferenz fanden Konsultationen zu der Frage statt, wie mit der zunehmenden jüdischen Migration aus dem Deutschen Reich umgegangen werden könne. Trotz der ursprünglichen humanitären Intention der Initiatoren wurden die Juden im Verlauf der Konferenz mehr und mehr als „Problem“ angesehen, substantielle Hilfe für die Flüchtlinge brachte sie nicht. Auch die niederländischen Vertreter betonten hier noch einmal, dass die Niederlande sich nicht in der Lage sähen, substantielle Hilfe zu leisten. Lediglich eine Rolle als Transitland für Flüchtlinge sei möglich, wenn deren Weiterreise ausreichend sichergestellt sei. Als Gründe wurden vor allem die hohe Arbeitslosigkeit und die auch ohne massenhafte Zuwanderung bereits hohe Bevölkerungsdichte in den Niederlanden genannt. Die nationalsozialistische Führung des Deutschen Reichs nutzte die schwachen Ergebnisse der Konferenz für ihre anti-jüdische Propaganda aus. Das NSDAP-Parteiorgan Völkischer Beobachter kommentierte die Vorgänge mit den Worten: „Niemand will sie haben.“

Schließlich wurde die niederländische Regierung jedoch durch das Parlament gezwungen die Einwanderungsbestimmungen zu lockern. Von den vorher offiziell nur 2000 zugelassenen Menschen wurde die Quote auf 7000 und schließlich auf bis zu 10.000 Personen erhöht. Letztendlich wurde diese aber ohnehin deutlich überschritten.