Frühe Deportationen

Die frühesten Deportationen aus dem „Großdeutschen Reich“ betrafen Juden polnischer Staatsangehörigkeit. Bis zu 17.000 Juden wurden am 28. und 29. Oktober 1938 in der sogenannten Polenaktion mit bis zu 30 Sonderzügen an die polnische Grenze gebracht und dort über die Grenze abgeschoben. Diese erste nationalsozialistische Massendeportation, die im Zusammenspiel von Polizei, Reichsbahn, Finanzbehörden und Diplomatie ablief, kann als ein Musterbeispiel der späteren Judendeportationen gelten. Auf die logistische Zusammenarbeit mit der Reichsbahn griff der Sicherheitsdienst (SD) zurück, als er wenig später nach den Novemberpogromen 1938 mehr als 26.000 Juden in Konzentrationslager schaffen ließ.

Ausweisung jüdischer Polen aus Nürnberg am 28. Oktober 1938
Ausweisung jüdischer Polen aus Nürnberg am 28. Oktober 1938

Unter Federführung von Adolf Eichmanns „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“ wurden im Oktober 1939 rund 4.000 Juden aus Wien, Mährisch-Ostrau und Kattowitz nach Nisko deportiert. Das Vorhaben, rund 65.000 Juden zu deportieren, wurde bereits Ende Oktober unterbunden und im Dezember 1939 von Reichsführer SS Heinrich Himmler „bis auf weiteres“ untersagt. In seiner Funktion als „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums“ räumte Himmler in den annektierten polnischen Gebieten der Ansiedlung Volksdeutscher den Vorrang ein.

Um Wohnraum für „baltendeutsche Rückwanderer“ zu schaffen, wurden im Februar 1940 rund 1.000 Juden aus dem Gau Pommern – hauptsächlich aus Stettin stammend – nach Lublin deportiert. Am Abend des 12. Februar suchten jeweils zwei SA-Männer die jüdischen Wohnungen auf, überwachten das Packen, löschten die Ofenfeuerung und versiegelten die Türen. Die genaue Vorgehensweise wurde in einem ausführlichen Merkblatt erläutert. Es ist umstritten, ob es sich dabei lediglich um eine Einzelaktion des Oberpräsidenten von Pommern handelte, die von der örtlichen Stapoleitstelle mitgetragen wurde, oder ob das Reichssicherheitshauptamt entgegen seiner Beteuerung gegenüber der Reichsvereinigung vorher davon informiert war.

Bei der Deportation von Juden aus Südwestdeutschland 1940 – nach den verantwortlichen NS-Gauleitern auch Wagner-Bürckel-Aktion benannt – wurden seit dem 21. und 22. Oktober 1940 mehr als 6.000 Juden aus Baden und der Saarpfalz in das Camp de Gurs in Frankreich deportiert. Dem besetzten Land wurde die Verpflichtung auferlegt, jüdische Personen aus besetzten Departements ins Landesinnere zu „übernehmen“. Bis Mitte September 1940 wurden so über 23.000 französische Juden und andere missliebige Franzosen aus den besetzten Gebieten deportiert. Die Juden aus Baden und Saarpfalz wurden von den Gauleitern „mitgeschickt“. Adolf Eichmann war persönlich anwesend, um die Züge über die innerfranzösische Demarkationslinie zu geleiten. Nach Auffassung des Historikers Peter Steinbach hatte die Deportation der Juden aus Südwestdeutschland paradigmatischen Charakter für die späteren Deportationen aus ganz Deutschland; die „Judenaktion in Baden und in der Pfalz“ sei von langer Hand vorbereitet worden und habe eine Art „Masterplan“ geliefert.

Im Februar und März 1941 wurden rund 5.000 Juden aus Wien „in Anbetracht der besonders gelagerten Verhältnisse“, nämlich dem beklagten Wohnraummangel in Wien, mit fünf Transporten in das Generalgouvernement geschafft. Von ihnen überlebten nur 70 Personen das Kriegsende.

In diesen Fällen ergriffen meist Gauleiter eine günstige Gelegenheit, Juden aus ihrem Gebiet fortzuschaffen; die systematische Verschleppung der deutschen Juden setzte aber erst später ein. Für die Organisation und technische Durchführung der folgenden Massendeportation hatten Heinrich Müller und Adolf Eichmann schon wesentliche Erfahrungen gesammelt. Organisationsabläufe wurden verfeinert und in Merkblättern festgehalten; Ministerien erarbeiteten Verordnungen zum Reichsbürgergesetz, so dass Deportierte die deutsche Staatsangehörigkeit verloren und ihr Vermögen unkompliziert eingezogen werden konnte.